.... Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes
Für die Jugend, ihre Erzieher und alle Freunde unschuldiger Jugendfreuden
gesammelt und praktisch bearbeitet vonGutsMuths
Einleitung
Über den Begriff des Spieles und über den moralischen,
politischen und pädagogischen Wert der Spiele;
über ihre Wahl, Eigenschaften und Klassifikation.
Als die Langeweile zuerst die Hütten der Menschen besuchte, trat das Vergnügen zugleich herein, bot ihnen die Hand und forderte diese Naturkinder zum Tanz auf. So entstanden die natürlichsten, unschuldigsten Spiele, nämlich die Bewegungsspiele. Die Hütten verwandelten sich in Paläste, auch hier erschien die Langeweile; aber man verbat sich die Bewegung, das Vergnügen verband sich den Mund und präsentierte die Karten.
Langeweile ist immer nur die Veranlassung zum Spiele; der natürliche Trieb der Tätigkeit ihr Schöpfer. Die Äußerung dieses Triebes zeigt sich bei den Spielen, nach dem Grade der Kultur und der Verfeinerung der Völker und einzelnen Menschen, bald körperlich, bald geistig, bald aus beiden gemischt. Daher die verschiedenen Spielgattungen. Beim Spiel im strengen Sinne hat der Spieler keinen Zweck als den der Belustigung an der freien Wirksamkeit seiner Tätigkeit. Davon ist hier nicht die Rede, denn wo sind die Spiele der Art, wo bloß ästhetische Größen, nämlich Form und Gestalt, das Material derselben machten? Ich kenne nur ein Spiel, das hierher zu gehören scheint, nämlich das sogenannte Parkett.
Es ist nun einmal gewöhnlich, alle, wenn auch spielende Beschäftigungen mit Formen und Gestalten nicht Spiel zu nennen. Beim Spiel im gewöhnlichen Sinne ist der nächste Zweck Belustigung, der entferntere Erholung oder Schutz gegen Langeweile. Daß diese Belustigung ebenfalls aus der Wirksamkeit unserer Tätigkeit geschöpft werde, ist gewiß.
Die Mittel, diese Tätigkeit wirksam zu machen, sind erstlich das Materielle des Spiels, welches sich bald als träge, bald als aktive Masse unserer Tätigkeit widersetzt. Da aber das Material fast bei keinem einzigen unserer Spiele allein schon Interesse genug für unsere Tätigkeit hat und sie folglich nicht hinlänglich reizt, so wird zweitens irgendein Affekt, vorzüglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als Sporn der Tätigkeit gebraucht, drittens dem Zufall bald mehr bald minder Herrschaft über das Material eingeräumt, wodurch die Erwartung gespannt und die Tätigkeit rege erhalten wird. Allein der Grund des Vergnügens beim Spiel liegt doch nicht allein in unserer Tätigkeit, sondern auch in der Anschauung der Form des Spieles, das ist der verabredeten systematischen Ordnung unserer Tätigkeit; wird diese gestört, schmiegt sich unsere Aktion dem System des Spiels nur unvollkommen an, so mindert sich die Belustigung. Spiele sind also Belustigungen zur Erholung, geschöpft aus der Wirksamkeit und verabredeten Form unserer Tätigkeit.
Auf Hasardspiele paßt diese Definition nicht, sie sind die Kette, an welcher der Zufall den Spieler nach Belieben an der Nase herumführt, indem er ihn mit der Geißel der Affekte bald streichelt bald züchtigt.
Nach dem Obigen läßt sich der moralische Wert der Spiele an sich selbst im allgemeinen nun leicht bestimmen. Er richtet sich nach der Natur des Affekts, der zur Spannung unserer Tätigkeit hineingezogen wird. Je unschuldiger dieser ist, desto unschuldiger ist das Spiel. Sein Wert ist daher so verschieden [wie] die Natur der Ehrliebe, der physischen Liebe, der Habsucht. Nach dem Grade des Affektes, denn jede Steigerung macht ihn nicht nur bedeutender, sondern mindert auch die Freiheit unserer Tätigkeit; das Spiel würde aber am unschuldigsten sein, wenn diese ganz frei dabei bliebe und durch gar keinen Affekt rege erhalten würde.
Endlich nach dem Grade der Herrschaft, welche dem Zufall beim Spiele zugestanden wird; geht diese nur so weit, als es nötig ist zur mäßigen Spannung der Erwartung und der Tätigkeit, so wird das Spiel mehr Wert haben; verschwindet aber diese völlig daraus, bewegt sie nur höchstens noch die Fingerspitzen zum Umschlagen der Karte, zum Hinrollen der Würfel, überlassen wir uns bloß dem Zufalle, der uns durch unsere eigenen Affekte geißelt und das Spiel dadurch pikant wie Brennesseln macht, so entstehen die Hasardspiele, die schlechtesten von allen unmoralischen.
Aber es ist Zeit, den Weg trockener Bestimmung der Begriffe zu verlassen; man hält jetzt nicht viel von Definitionen, es sei denn die der Liebe, in einen Roman ausgesponnen. Vielleicht bin ich imstande, einen weniger beschwerlichen Weg zu finden.
Spiele sind wichtige Kleinigkeiten; denn sie sind zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bei jung und alt Bedürfnisse gewesen, weil Freude und Vergnügen zur Erholung von Arbeit, leider auch wohl zum Schutz gegen Langeweile, ebensogut Bedürfnisse sind, als Befriedigung der Verdauungs- und Denkkraft. Spiele sind daher über den ganzen Erdkreis verbreitet; alles spielt, der Mensch und sein Kind nicht nur, sondern auch das Tier und sein Junges, der Fisch im Wasser, der Hund, das Pferd, der Löwe und ihre Jungen spielen. Wer hat die Geheimnisse der Pflanzen, die Dunkelheit der Elemente, die Mysterien des Wärmestoffs, der Elektrizität, des Magnetismus, die endlosen Entfernungen der Weltkörper durchschaut, um hier alles Spiel geradezu verneinen zu können.
„Spielen", sagt der unvergleichliche Wieland, „ist die erste und einzige Beschäftigung unserer Kindheit und bleibt uns die angenehmste unser ganzes Leben hindurch. Arbeiten wie ein Lastvieh ist das traurige Los der niedrigsten, unglücklichsten und - zahlreichsten Klasse der Sterblichen; aber es ist den Absichten und Wünschen der Natur zuwider. - Die schönsten Künste der Musen sind Spiele, und ohne die keuschen Grazien stellen auch die Götter, wie Pinda singt, weder Feste noch Tänze an. Nehmt vom Leben hinweg, was erzwungener Dienst der eisernen Notwendigkeit ist; was ist in allem übrigen nicht Spiel? Die Künstler spielen mit der Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft, die Philosophen mit Ideen, die Schönen mit unseren Herzen und die Könige, leider! - mit unseren Köpfen!"
Die Tradition trug sie von jeher in alle Winkel der Welt, und es mag schwerer sein, eine nützliche Erfindung, die Verbesserung eines landwirtschaftlichen Instruments, aus einem Lande in das andere zu verpflanzen, als ein Spiel Polynesiens in Deutschland einzuführen.
Unsere kleinen Mädchen wissen es nicht, daß ihr Spiel mit fünf Steinchen griechischen oder wer weiß was für Ursprungs ist, und unsere Knaben nennen das Pflöcken, was die Griechen Kindalismosu hießen.Die Bauern in Ströbke spielen mit denen am Ganges, am Seünde-rud, am Tigris und an den Jökeln von Island ein Spiel, ich meine das Schach; und der Lappe malt sich Kartenblätter mit Rentierblut auf Fichtenrinde, weil bei ihm weder Pariser noch Berliner Fabrik ist. Diese Verbreitung durch so lange Zeiten, die so allgemein und oft so schnell geschah, ist eben ein Zeichen des allgemeinen Bedürfnisses. War es nicht eben der Fall mit den Kartoffeln?
Und wenn auch der heilige Antonio, Erzbischof von Florenz, an den Würfeln soviel Sünden als Punkte findet, und der heilige Bernhard dem Abte von Clairvaux die Lehre gab, jeden Bissen Brot mit Tränen zu benetzen, weil der Hauptzweck der Klöster Tränenvergießen sei, über die Sünden des Volkes und der Klosterbewohner; so tritt doch ein gewisser Abt Abraham auf die andere Seite und erstreitet sogar den Einsiedlern Zeitvertreibe, trotz ihrer solidesten Pietät und äußersten Pönitenz. Er führt sogar das Beispiel des heiligen Evangelisten Johannes an. Ich weiß nicht, aus welcher Legende er das hat; allein er sagt auch nur on dit, und gesunder Menschenverstand gilt in jedem Kleide. Seine Worte sind lang, ich will sie abkürzen. Der Evangelist Johannes spielte einst mit einem Rebhuhne, das er mit seiner Hand streichelte. Da kam ein Mann, ein Jäger von Ansehen, und betrachtete den Evangelisten mit Verwunderung, weil er sich auf eine - nach seiner Idee - so unwürdige Art an dem Tierchen belustigte; Naturgeschichte war damals noch nicht Mode. Bist du denn wirklich der Apostel, von dem alle Welt redet und dessen Ruhm mich hier herzog, wie paßt diese Belustigung zu deinem Ruhme? Guter Freund, antwortete der sanfte Johannes ganz sokratisch: Was seh ich da in deiner Hand? -Einen Bogen, erwiderte der Fremdling. Und warum hast du ihn nicht gespannt und immer bereit zum Schuß? - Ei, das darf nicht sein; wäre er immer gespannt, so würde er seine Kraft verlieren und bald untüchtig sein. Nun so wundere dich denn nicht über mich, fuhr Johannes fort; doch meine Leser wissen schon die Anwendung von einem Bogen.
Nascitur ex assiduitate laborum animorum hebeduto quaedam et languor. - danda est remissio animis: meliores
acrioresque requieti resurgent
(Seneca „De tranquillitate animi", Cap. XV: das ist: anhaltende Arbeit wird Schwächung und Abstumpfung des Geistes. Gib ihm Erholung, sie wird Schärfung ihm sein und Stärkung.)
An den Bedürfnissen, oft schon an einem einzigen, erkennt man den Charakter des einzelnen Mannes, so wie oft ganzer Nationen; aus der kindischen Begierde nach Nürnberger Tand blickt der ungebildete kindische Geist des Negers; der Branntwein sowie das Fluchen verraten den halb oder ganz rohen Menschen; Putz und Schminke den ehemaligen ewig Cour machenden Franzosen, und die alabasternen Heiligenbilder, die der Spanier aus Nürnberg [be]zieht, künden seinen Aberglauben.
Ebenso läßt sich aus den Spielen auf den Charakter eines Volkes schließen. Sie sind ein sehr sicherer Probierstein, auf welchem sich, wie beim Silber, der Grad der Rohheit und Verfeinerung eines Volkes ziemlich unzweideutig erkennen läßt. Rohe Nationen lieben in allen Zeiten und Weltgegenden die Spiele des Krieges und des Zufalls (Hasardspiele), deren Abwechslung von dem Bedürfnisse der Bewegung und Ruhe des Körpers geleitet wird. Heftige und gefährliche Bewegungen, die Nachahmungen kriegerischer Vorfälle, wobei man sich zu durchbohren und die Köpfe zu zerschmettern droht, begleitet von einer wilden, harmonielosen Musik, bezeichnen in jenen den rohen, noch ganz unverfeinerten und ungeschwächten Heldengeist; so wie die Ergebung in die Fügung des blinden Zufalls bei diesen Unaufgelegtheit zum Denken und Mangel an Kultur des Geistes ankündigen, der unter der Binde des Aberglaubens gern in der öden Finsternis des Ungefährs umhertappt, wo er zwischen Furcht und Hoffnung den bösen oder guten Einfluß der Geister erwartet und in dieser Erwartung allein das größte Interesse findet, dessen sein kindischer Geist fähig ist.
Die kriegerischen Spiele unserer ältesten Vorfahren sowie ihr rasender Hang zu Glücksspielen sind bekannt. Vom Gebrauch der Waffen gegen Menschen oder Tiere ermüdet, kehrte man zur Hütte zurück und verschlief die lästige Zeit oder verspielte sie wie Habe, Gut und Freiheit mit Würfeln. Durch Ruhe wieder gestärkt, griff man, wenn Not, Magen oder Tätigkeitstrieb es geboten, wieder zu den Waffen, zum Jagdgewehr oder begann kriegerische Spiele.
Würfel und Waffen waren die Lieblinge der Hunnen, man kannte fast keine Gesetze als die des Hasardspiels.
Ganz germanisch lebt man indem nordamerikanischen Germanien bei den Delawaren und Irokesen; Krieg oder Jagd, Essen oder Schlafen, Hasardspiel oder kriegerische Spiele. Auch hier ist die Spielsucht unersättlich. Pflaumenkerne, die auf der einen Seite schwarz gefärbt, auf der anderen gelb gelassen sind, machen die Würfel. In eine Schüssel gelegt, stößt sie der Spieler gegen den Boden, dem Zufall entgegen, und erwartet leidenschaftlich den Aufschwung und das Niederfallen derselben. Er zählt fünf, wenn er die größte Zahl von der Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er achtmal fünf zählt. Ein gewaltiges Geschrei der Zuschauer, das sich bei jedem Wurf unter das Geprassel der Kerne mischt, verrät ihre lebhafte Teilnahme, so wie die fürchterlichen Gesichtsverzerrungen der Spielenden und ihr affektvolles Murren gegen die bösen Geister die Rohheit ihres Kopfes, die Ungezähmt-heit ihrer Leidenschaften ankündigt.
So spielen oft ganze Dörfer, ja ganze Stämme gegeneinander. Der Instinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu bewegen-
den Spielen [zurück], besonders zu Tänzen, die zur Tagesordnung gehören. Eine Hirschhaut über ein Faß, einen Kessel oder über ein Stück eines hohlen Baumes gespannt, gibt in dumpfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen voran, von ihrem Stampfen erzittert der Boden, von ihrem Geschrei die Luft. Das sittsame Weib folgt mit wenigen Bewegungen sprach- und scherzlos nach. Heldenmäßiger wird der Tanz für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit Kühnheit und Leichtigkeit, seine eigenen oder die Taten seiner Vorfahren besingend, indem die Herumstehenden mit einem rauhen, zu gleicher Zeit ausgestoßenen Ton das Zeitmaß angeben. Noch fürchterlicher ist der Kriegstanz, die Nachahmung eines allgemeinen kriegerischen Gemetzels. Wem liegen nicht durch das Erzählte die Hauptzüge dieser Nationen unverhohlen und offen vor Augen? Laßt uns auf einige Augenblicke den Kulturzustand der alten Thracier vergessen; ein artiges Spiel, das bei ihnen [üblich] war, und von dem Athenaios Nachricht gibt, wird uns sogleich darauf zurückführen. Man trat auf einen leicht umzuwerfenden Stein, in der Hand eine Sichel. Den Hals steckte man durch eine von der Decke herabhängende Schlinge. Unversehens stieß ein anderer von der Gesellschaft den Stein um; da hing der Arme, der durchs Los dazu gewählt worden war. Hatte er nicht [Geistes] gegenwart genug, den Strick sogleich mit der Sichel abzuschneiden, so zappelte er sich unter dem Gelächter der Zuschauer zu Tode. Niemand würde mir glauben, wenn ich dies Spiel den feinen, gebildeten Griechen oder nur der sanften Otaheiten zueignen wollte; weit wahrscheinlicher könnte ich es nach Neuseeland versetzen; ein Zeichen, daß Volkscharakter und Volksspiele in sehr naher Verbindung miteinander stehen.Dem Geschichtsforscher, welchem es nicht bloß darauf ankommt, Regenten-, sondern vielmehr Volksbiographien zu bearbeiten, sollten daher diese verräterischen Kleinigkeiten nicht entwischen. „Ein aufgeklärter Geist verachtet nichts. Nichts was den Menschen angeht, nichts was ihn bezeichnet, nichts was die verborgenen Federn und Räder seines Herzens aufdeckt, ist dem Philosophen unerheblich. Und wo ist der Mensch weniger auf seiner Hut, als wenn er spielt? Worin spiegelt sich der Charakter einer Nation aufrichtiger ab, als in ihren herrschenden Ergötzungen? - Was Platon von der Musik eines jeden Volkes sagt, gilt auch von seinen Spielen; keine Veränderung in diesen (wie in dieser), die nicht die Vorbedeutung oder die Folgen einer Veränderung in seinem sittlichen oder politischen Zustand sei!"
Ich habe gesagt, Spiele seien wichtige Kleinigkeiten; denn wenn man von der einen Seite aus den Spielen auf den sittlichen und politischen Zustand einer Nation schließen kann, so darf man von einer anderen, aus jener genauen Verbindung, den Schluß [ziehen], daß die Spiele auf den Charakter merklichen Einfluß haben werden, daß sie daher zu den Erziehungsmitteln ganzer Nationen gehören. Es liegt freilich in der Natur der Sache, daß sie oft nach dem schon stattfindenden Charakter erst gewählt werden, daß dieser also schon eher da ist als jene. Dann werden sie ihn wenigstens immer mehr befestigen und ausbilden helfen. Allein es ist demungeachtet nicht zu leugnen, daß sie oft vor diesem und jenem Zuge des Charakters da waren und ihn mit hervorbringen halfen. Es bedarf hierzu oft nur des sehr zufälligen Beispiels irgendeines Angesehenen. Ginge irgend ein König, von Regierungssorgen ermattet, aus dem Kabinett gewöhnlich auf den Schloßhof und spielte daselbst Ballon oder Ball, so würden in seiner Residenz der Ballon und Ball bald die Karten verdrängen, die Provinzialstädte würden bald nachfolgen und beide Spiele würden einen ganz merklichen Einfluß auf den Charakter und den Gesundheitszustand seines Volkes haben, wenn zumal der Kronprinz nicht verweichlicht würde und da fortführe, wo sein Vater aufhörte.
Am Ende des vierzehnten Jahrhunderts erfand man das Kartenspiel und führte es zur Unterhaltung des fast dreißig Jahre lang verrückten Königs Carl VI. bei Hofe ein. Die Folgen dieses klein scheinenden Umstandes sind schlechterdings nicht zu berechnen. Ganz Europa hat sie gefühlt und fühlt sie noch, ja sie nagen in gewisser Rücksicht an den Wurzeln künftiger Generationen. Die Hofluft blies die Karten nach und nach über ganz Frankreich, über Spanien, Italien, über ganz Europa! Die Karten waren es, welche nach und nach die besseren Übungsspiele verdrängen und die Verweichlichung der Nationen, besonders der vornehmeren Klassen fördern halfen. Die Proskriptionen der Kriegs- und Jagdübungen, der Turniere, des Mail, Ball- und Kugelspiels usw. waren besonders mit von den Kartenkönigen unterschrieben; sie halfen stark zur Umwandlung der mannbaren Ritterschaft in Noblesse, der nervigen Bürger in Muscadins.
Regenten, Gesetzgeber, Philosophen, die den wichtigen Einfluß der Ergötzlichkeiten auf den Volkscharakter und auf das Wohl und Wehe der Nationen einsahen, hielten von jeher die Spiele ihrer Aufmerksamkeit sehr wert; Lykurg ordnete die Leibesübungen, Gesellschaften und Tänze der Spartaner; Platon die der Bewohner seiner Republik; Kaiser Justinian hob die Hasardspiele auf und setzte Bewegungsspiele an ihre Stelle( Sie waren: das Springen, das Stockspringen, der Wurfspieß, doch ohne Spitze, das Wettrennen zu Pferde und das Ringen). Karl der Große und Ludwig der Heilige gaben Spielgesetze; Carl V. von Frankreich gab Befehle gegen alle Hasardspiele und empfahl reine Bewegungsspiele und Übungen(...Bei uns hat der Geist der Industrie schon angefangen, über [das] bürgerliche Scheibenschießen Bemerkungen anzustellen. Unter dem Volke möchte ich leben, das nur wie ein Lastvieh arbeitet und bürgerliche Freuden nicht kennt Sein Geist verschrumpft und wird in sich gekehrt, so wie seine Hände und Finger; Magen und Geldbeutel werden seine Abgötter, Eigenliebe wird bei ihm die Nächstenliebe bald ganz verdrängen; denn das schönste Band, das den Bürger an Bürger festhält, die öffentliche Bürgerfreude, ist zerrissen. Kurz wenn man Armut durch Aufopferung der Volksfreuden abkaufen will, so ist der Verlust größer als der Gewinn. O, es gibt ganz andere Seiten im Verhältnisse der Staatsökonomie zur Ökonomie des Bürgers, wo man Verbesserungen machen könnte); Peter der Große nahm sich der Volksbelustigungen an, um sein Volk geselliger zu machen usw.
Kurz, man könnte mit solchen Befehlen einen guten Quartanten anfüllen und wenn man auch die unendliche Menge, die von Konzilien und Synoden gegeben wurden, überginge. Oft waren die Befehle unbilliger Könige wie die Axt des Holzspalters, sie zersplitterten ganze Länder; haben sie aber je die Kartenkönige ganz bezwingen können? Oft trugen sie Aufruhr in benachbarte Staaten; aber brachten sie je die Untertanen der Kartenkönige zur Rebellion?
Geh in Städte, in Gesellschaften, in Familien, wo der Geist der Glücks- und der Kartenspiele herrschend ist, und untersuche die dasige Denkungsart sowie den wirtschaftlichen und körperlichen Zustand. Der Satz: „an den Spielen sollst du sie erkennen" wird sich bewährt finden. Dies bleiche, gramvolle Gesicht hat Spadille entfärbt; diese Zerstreuung hat basta verursacht; basta gellt es in den Ohren des Schreibers, da liegt die Feder; basta in denen des Richters, da liegen die Akten usw.
Vom Lotto will ich nichts erzählen, dies sei die Sache der Pfänder in den Leihhäusern. Schade, ewig schade, daß meine Spiele nie Finanzsache werden können, dann machte ich damit Cour; sie erhielten allen möglichen Vorschub und bewirkten dann wahrscheinlich ein Plus von Gesundheit und Stärke, das leicht so groß wäre als das Minus im Beutel beim Lotto. Doch genug - hier nur Winke; die Materie, betreffend den sittlichen und politischen Wert der Spiele erschöpft kaum ein ganzes Buch.
Können die Spiele auf ganze Nationen wirken und in ihrem Zustande eine merkliche Veränderung hervorbringen, so sind sie auch ein Erziehungsmittel für die Jugend, und ich getraue mir, wenn auch die Erziehung nach den neuesten hannoverschen Entdeckungen weder Wissenschaft noch Kunst, sondern wer weiß was ist, aus zwei Knaben von völlig gleichen Anlagen durch entgegengesetzte Behandlung in Spielen zwei, in Rücksicht ihres körperlichen und geistigen Zustandes ganz verschiedene Geschöpfe zu machen.
Oder läßt sichs denn von vornherein so schwer einsehen, daß ein Knabe, den man zehn Jahre hindurch in vernünftiger Abwechslung zwischen geistigem Ernst und körperlichem Scherz, ich meine zwischen geistiger Ausbildung und gesunden körperlichen Übungen und Spielen erhält, daß ein solcher Knabe weit besser gedeihen müsse, als wenn man ihn bei derselben Bildung seines Geistes in Karten und Würfeln Erholung finden läßt? Solange man mir nicht das Gegenteil dartun kann, halte ich diese Tändeleien für Sachen von pädagogischer Wichtigkeit. Ich muß hier einiges über den pädagogischen Nutzen und die Notwendigkeit der Spiele sagen.
1. Wenn das größte Geheimnis der Erziehung darin besteht, daß die Übungen des Geistes und des Körpers sich gegenseitig zur Erholung dienen, so sind Spiele, besonders Bewegungsspiele sowie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche Sachen. Stünde dieser Satz auch nicht im Emil, so würde ihn ja schon jeder Schulknabe verkündigen, wenn er nach der Lektion die Bücher wegwirft. Dergleichen allgemein von der Jugend geäußerte Triebe beweisen so scharf als das schärfste Vernunftschließen. Allein es gibt demungeachtet
Leute, die auf obigen Satz durchaus nicht Rücksicht nehmen. „Aber", sagen sie mit Cicero:
„ad severitatem potius et ad studia quaedam graviora atque majora facti sumus." (zur Strenge mehr und zu gewissen wichtigeren bedeutenden Beschäftigungen sind wir geschaffen).Ich bin selbst herzlich davon überzeugt, glaube aber, daß es für jung und alt kein ernsteres Studium nach der Geistesbildung geben könne, als das, was auf Gesundheit, Ausbildung des Körpers und Heiterkeit des Geistes hinzielt, weil ohne diese die Geistesbildung wenig nützt, sondern als ein totes Kapital daliegt, an dem der Rost nagt. Und wer wirklich der Meinung ist, daß man die Stunden, wo es mit ernster Anstrengung des Geistes nicht mehr fort will, stets zu irgend etwas Nützlichem, z. B. zum Zeichnen, Klavierspielen, zum Ordnen der Insekten und Mineralien und dergleichen anwenden müsse, der hat von der Ökonomie sowohl des jugendlichen als erwachsenen menschlichen Körpers keine richtige Vorstellung, er weiß das Nützliche nicht gegen das Nützlichere gehörig abzuwägen; er zieht den Mond der Sonne vor, weil er so sanft ist und das Öl der Gassenerleuchtung erspart.
Es ist freilich sehr gut möglich, alles eigentliche Spiel gänzlich zu vermeiden und sich durch bloße Abwechslung zwischen ernstlicher Anstrengung des Geistes und jenen spielenden Beschäftigungen hinzuhalten; allein ich glaube nicht, daß sich auf diese Art besonders bei der Jugend eine gewisse weibische Weichlichkeit, Untätigkeit und Schlaffheit des Körpers vermeiden lasse.
Kurz, man beweise erst streng und redlich, daß die Bildung des Körpers eine Posse sei, die für uns nichts wert ist, daß unser Geist des Körpers nicht bedürfe, daß dieser auf unsere Tätigkeit, auf unseren Charakter und auf Belebung oder Erstickung des göttlichen Funkens, der in uns glimmt, gar keinen Einfluß habe; wenn man das getan, die Forderungen der Natur, der größten Ärzte und der denkendsten Männer widerlegt haben wird, dann will ich schweigen und einsehen lernen, daß ich Torheit gepredigt habe, dann will ich gern behaupten, daß man die Zeit zur Erholung wohl edler als zu Spielen und Leibesübungen verwenden könne.
Kann man das aber nicht, so will ich nicht bloß Ärzte und Denker, sondern sogar die Heiligen zu Hilfe rufen und mit Franz von Sales behaupten: „qu'il est force de relächer quelque fois notre esprit et notre corps encore ä quelque sorte de recreation; et que c'est un vice sans doute que d'etre si rigoureux, agreste et sauvage qu'on n'en veuille preridre aucune sur soi, ni en permettre aux autres."
(daß es notwendig ist, unserem Geist und unseren Körper hin und wieder auch irgendeine Erholung zu gönnen, und daß es zweifellos einenFrevel bedeutet, so streng, scharf und hart zu sein, daß man weder sich noch anderen einen Entspannug gönnt).Sollten aber junge oder alte Gelehrte und Jugendbildner einen Skandal darin finden, mit der Jugend zu spielen, so verweise ich sie auf Heraklit, der am Dianentempel zu Ephesus die Knabenspiele als Mitspieler ordnete; auf Sokrates, wie er mit der Jugend spielt, auf Scaevola, Julius Caesar und Octavius, die studiosissime Ball spielten, auf Cosmus von Medici, der seinem kleinen Enkel auf öffentlichem Platze die Pfeife verbesserte, auf Gustav Adolf, der mit seinen Offizieren Blindekuh spielte usw. Nur durch eine unbegreifliche Folgefalschheit ist es möglich, das Billard, dieKegelbahn und die Karten in öffentlichen Häusern für wohlanständig, öffentliches Spielen mit Kindern für unanständig zu halten.
2. Langeweile ist eines der drückendsten Übel, sie macht, wie manche Krankheit, aus dem Patienten ein unleidliches Geschöpf. Die Jugend, die in der Vergangenheit noch wenig Stoff zur Unterhaltung findet, in die Zukunft wenig oder gar nicht hinsieht, sondern fast immer nur für den gegenwärtigen Augenblick empfindet, denkt und handelt, leidet auch öfter und gewöhnlicher an dieser Krankheit als der gebildete Mann. Die Vergangenheit und Zukunft nehmen ihn in ihre Mitte und machen Gesellschaft mit ihm, und wenn jene ihn mit Leiden und Freuden und ihren Ursachen unterhalten hat, so gibt ihm diese Stoff zu Berechnungen, Plänen, Luftschlössern und Sorgen, bis die unverdrängliche Gegenwart das Wort nimmt und befehlsweise von dem spricht, was jetzt zu lassen und zu tun sei. So fehlen der Jugend zwei Gesellschafter, denen an Unterhaltung nichts gleichkommt. Wer soll sie ersetzen als ihre erwachsenen Freunde; von ihnen erwirbt sie Stoff zur Tätigkeit, bald durch ernste Beschäftigungen, bald durch Spiel.
3. Arbeiten, ernste Beschäftigungen und Umgang mit Erwachsenen sind künstliche Rollen der Jugend, in welchen sie auf dem großen Schauplatz allmählich debütiert; Spiele sind natürliche Rollen derselben in ihrem jugendlichen Paradies. Dort erscheint sie im verstellenden Bühnengewand, hier in klarer Nacktheit; daher ist es dort oft schwer, hier immer leicht ihren wahren Charakter zu erkennen. Selbst die Neigung zur künftigen Lebensart scheint hier und dort beim Spiel durch.
4. Gleichgültigkeit gegen alles Wissenschaftliche ist dem Erzieher [bei] seinem Zögling ein Fehler, der alle seine Geduld auf die Probe stellt. Er arbeitet an einem Bäumchen, das weder Blüte noch Frucht verspricht; er sieht am Ende keine Folge von dem, was er getan hat; seine Gehilfin, die natürliche Wißbegierde der Jugend, ist abwesend. Er verliert bald alle Hoffnung, weil er den Grund dieser Gleichgültigkeit im Temperament des Kindes zu finden glaubt. Er lasse es spielen, ist es hierbei teilnehmend, eifrig und tätig, so liegt die Schuld der Gleichgültigkeit nicht im Kinde, sondern in einer Veranlassung von außen her. Aber auch selbst dann, wenn es von der Natur Opium erhielt, müßte sich, dächt ich, durch Spiele, besonders durch Bewegungsspiele viel ausrichten lassen.
5. Es gibt eine gewisse Empfindlichkeit, die es macht, daß wir leicht jede Kleinigkeit übelnehmen und dies sogleich durch unser Betragen äußern. Wie schlecht man damit in Gesellschaften fortkommt, ist bekannt; wer faßt ein Gefäß gern an, das gleich zerbersten will, wenn man es berührt. Es gibt Leute, die aus Unempfindlichkeit und gutem Humor jedermann gern zum Ball dienen und in das Gelächter über sich mit einstimmen. Geschieht dies aus Mangel an Delikatesse oder vermöge einer gewissen Stumpfheit, so ist es zwar ein bedeutender Fehler, aber ein größerer, wenigstens weit unerträglicherer ist jene Empfindlichkeit.
Der Unempfindlichere befindet sich überall wohl, und seine Gesellschaft sieht ihn immer gern, er heißt ein Mann, mit dem sich gut auskommen läßt, der nichts übelnimmt; dieser, der übertrieben Empfindliche, leidet bei jedem kleinen Anlasse, die Züge des Mißvergnügens und der Bestürzung drücken sich schon auf sein Gesicht, wenn er wegen eines kleinen Versehens, wegen einer kleinen Ungeschicklichkeit und dergleichen nur im mindesten belächelt wird; es ist ihm unmöglich, dies zurückzuhalten und eben dadurch wird er unangenehm. Diese Art von Empfindlichkeit abzustumpfen, das Auslachen im gehörigen Falle mit einer gewissen männlichen Fassung und Freimütigkeit ertragen zu lernen, sind manche Spiele sehr gut. Sie gewöhnen durch Spaß zum Ernste, lernt man das Necken und Belachen erst in der scherzenden Spielwelt ertragen, so übernimmt man es auch mit mehr Leichtigkeit in der ernstlichen Welt. Hat jener Fehler seinen Grund in einer zu großen Reizbarkeit der Nerven, folglich im Körper, so können Leibesübungen, folglich auch bewegende Spiele im Freien, durch ihren Einfluß auf jenen ihn oft ganz wegschaffen, wenigstens vermindern; entstand er durch eine zu zarte und zu isolierte Erziehung, wobei sich jedes Kind leicht an eine gewisse bestimmte Behandlung gewöhnt und jede andere sehr übel findet und aufnimmt, so ist das Spiel das vortrefflichste und sichtbar wirksamste Mittel. Dieser Fehler weicht nicht der vernünftigen Vorstellung und Überredung, sondern bloß der Übung und Erfahrung; Knaben der Art müssen häufig aufgezogen, belacht, über ihre Empfindlichkeit besonders von ihresgleichen getadelt und geneckt werden, nicht vorsätzlich, wohl aber durch den natürlichen Anlaß eines Spiels.
6. Um die Herzen der Kinder zu gewinnen, spiele man mit ihnen; der immer ernste, ermahnende Ton kann wohl Hochachtung und Ehrfurcht erwecken, aber nicht so leicht das Herz für natürliche, unbefangene Freundschaft und Offenherzigkeit aufschließen. Am offensten ist man immer nur gegen seinesgleichen; die eigentümliche Gesinnung der Älteren und der höheren Klasse machen uns zurückhaltender, darum gesellt sich gleich so gern zu gleichem.
DurchSpiele nähert sich der Erzieher der Jugend, sie öffnet ihm ihr Herz um so mehr, je näher er kommt, sie handelt freier, wenn sie in ihm den Gespielen erblickt, und er findet Gelegenheit zu Erinnerungen, die beim Studieren nicht veranlaßt werden würden. Überdem aber sind Erinnerungen um so fruchtbringender, je gleicher an Alter und Stand der uns ist, welcher sie gibt. Wir hören dann in ihm die Stimme unserer eigenen ganzen Klasse, darum bessert die Ermahnung, die ein Zögling dem anderen im stillen und im Bunde der Freundschaft und Gleichheit gibt, gewöhnlich mehr als die des Lehrers; im Munde des letzteren klingt sie zu erwachsen, zu alt, in dem des anderen just jung genug, um befolgt zu werden.
7. Spiele bilden auf die mannigfaltigste Art den Gang des menschlichen Lebens mit einer Lebhaftigkeit im Kleinen nach, die sich auf keinem anderen Wege, durch keine andere Beschäftigung und Lage der Jugend erreichen läßt. Denn nirgends ist die Jugend in ihren Handlungen, in ihrem ganzen Betragen so wenig von Seiten der Erwachsenen beschränkt, nirgends handelt sie daher natürlicher, freier und dem Gange des menschlichen Lebens gleichlautender als hier. Hier ist eine kleine Beleidigung, Übereilung, Unbilligkeit, Prahlerei, Überlistung, [das Fehlschlagen] einer Hoffnung, ein unangenehmer Charakter, ein langsamer Kopf, ein Pinsel, ein Geck, eine Überlegenheit an Geistes- und Körperkräften zu ertragen; hier ist Anlaß zum Schmerz und Kummer sowie zur Freude und Fröhlichkeit, hier ist Gelegenheit zur Schätzung der Gefälligkeit, Geschicklichkeit, Güte usw. im Nebenmenschen.
Der junge Mensch wird abgerieben wie ein Kiesel im Bach, es geschieht immer besser früher als spät, nur sei der Strom nicht ganz verdorben und modrig. Eltern, die ihr eure Kinder eiländlich48 im kleinen häuslichen Kreise erzieht und sie von der übrigen Kinderwelt zurückhaltet, eure Meinung ist gut, aber euer Erziehungsplan gewiß sehr übel berechnet; ihr seid in Gefahr, eigensinnige, unduldsame, unerfahrene und zu empfindliche Nachkömmlinge zu haben.
8. Spiele verbreiten im jugendlichen Kreise Heiterkeit und Freude, Lust und Gelächter. Wären alle Menschen stets lustig und vergnügt, sicher würde nicht so viel Böses geschehen. Mürrische Laune ist nicht die Stifterin des Guten und Angenehmen; ja schon ein stets ernsthafter Charakter ist weniger moralisch vollkommen als der aus Ernst und Scherz lieblich gemischte, bei gleicher Herzensreinheit. Die Anlage von allen dreien wird angeboren, aber die Ausbildung liegt in Erziehung und in erziehenden Umständen. Immer bleibt es doch ratsam, die Jugend in einem heiteren, fröhlichen Ton zu erhalten und selbst Spiele zur Beförderung desselben in die Erziehung aufzunehmen.
Je mehr die Jugend, jedoch von eigentlichem Leichtsinn entfernt, scherzt und lacht, je mehr man ihr Platz läßt, sich in ihrer natürlichen, liebenswürdigen Offenheit zu zeigen, um so mehr entfernt man sie von stiller trauriger Verschlossenheit, die nirgends angenehm ist,weil sie selbst beider reinsten Sittlichkeit Mißtrauen einflößt; kurzum desto besser gedeiht sie an Leib und Seele.
Der heilige Bernhard, den ich oben anführte, soll ebensowenig Erzieher sein als der heilige Basilius, der das Lachen aller fidelen Christen für unerlaubt hielt, und, damit die Zahl voll werde, die heilige Gorgonie nicht Erzieherin, weil sie alles Lachen verabscheute und selbst das Lächeln als eine Ausschweifung betrachtete.
„Je mehr sie zum Lachen reizen", sagt Basedow von den Spielen, „desto zweckmäßiger sind sie. Ich wollte, daß auch die Erwachsenen sowohl unter den geringeren als vornehmeren Ständen mehr scherzten und lachten als [es] geschieht. -Das Lachen ist eine menschliche Handlung, die sowohl Leib als Seele übt und stärkt, und muß also ihre Zeit haben, was auch die blödsinnigen und gallsüchtigen Andächtler davon sagen mögen." Er gibt sogar einem Verleger den Rat, ein Werk von vier bis sechs Alphabeten unter dem Titel: „Die unschuldigen Lacher" zu übernehmen.
9. Spiele sind nötig zur Erhaltung der Gesundheit, zur Stärkung, Übung, Abhärtung des jugendlichen Körpers. Daß hier weder von Karten noch Würfeln und Hasardspielen die Rede sei, sondern einzig von Bewegungsspielen im Freien, versteht sich von selbst. Ich habe sehr vielfältig und lange Gelegenheit gehabt, den Einfluß dieser Spiele sowie der Leibesübungen überhaupt auf manchen Verweichlichten, Furchtsamen, körperlich Bequemen, Untätigen und Ungeschickten zu beobachten und ihn immer vortrefflich gefunden. Da ich hierüber schon vieles in meinem Buche über die Leibesübungen gesagt habe, so fällt hier alle weitere Auseinandersetzung weg.
Dies sei genug über den Nutzen der Spiele; sie haben auch ihre Nachteile, das ist nicht ganz zu leugnen. Platon meint, es sei nichts schädlicher, als den Kindern vielerlei Spiele zu geben, weil sie dadurch flatterhaft, zum Überdruß und zur Begierde nach Neuerungen gewöhnt werden. Ich habe das Original nicht bei der Hand, mir scheint die Rede vielmehr von Spielzeugen zu sein. Dann ist nichts wahrer.
Es ist indes nicht nötig, nach Griechenland zu gehen; ich habe selbst Gelegenheit genug gehabt, den Einfluß der Spiele auf eine Kindergesellschaft zu beobachten, die übermäßig groß genug ist, um ihn zu verraten; denn eben durch die Größe einer solchen beieinander lebenden Gesellschaft wird der Einfluß des Spieles verstärkt. Ich habe bemerkt, daß bei weitem nicht alle, sondern nur manche Kinder flatterhaft dadurch werden, dann mehr ans Spiel als an die Arbeit denken und in eine etwas zu mutwillige Stimmung geraten. Dies sind jedoch gewöhnlich nur solche Knaben, deren Lebhaftigkeit oft leicht bis an Wildheit hervorspringt. Am auffallendsten zeigt sich dies im Frühling, zur Zeit wenn alle Geschöpfe in eine gewisse freudige Rebellion verfallen, zur Zeit wenn in Frankreich die Väter einer gewissen Kongregation51, die sich vorzüglich mit Unterricht beschäftigte, bei ihren Schulvisitationen den Rektoren zuriefen:
„Voila un temps orageux qui s'eleve; vos ecoliers vont de-venir intraitables; mettez-vous donc sur vos gardes, armez
vos bras et doublez les chätiments!" (Es wird eine Zeit der Unruhe kommen; eure Schüler werden nicht zu bändigen sein. Seid auf der Hut, rüstet eure Arme und erhöht die Strafen)Es ist nicht bloß wahrscheinlich, daß die Jahreszeit dann mehr tut als das Spiel; eigene Beobachtungen überzeugen hier am besten. Sollte denn die Jugend allein kalt bleiben, wenn die Natur an der Wiedergeburt aller Geschöpfe arbeitet und alle Säfte in Wallung geraten? - Indes, wenn wir auch nichts auf die Jahreszeit, alles auf die Spiele schieben, so wird ein verständiger Kinderfreund jene Flatterhaftigkeit teils durch Vorstellungen, teils durch Methode zu mäßigen wissen; und überdem bleibt es auch eine sehr wahre Bemerkung, daß solche lebendige Kinder häufig nur dann die größte Aufmerksamkeit zum Unterricht mitbringen, wenn ihr Körper durch Bewegung bis zu einem gewissen Grade ermüdet ist.
Spiele benehmen der Jugend die Lust zu arbeiten, sie sehnt sich nach dem Spiel und vernachlässigt die Arbeit. Das ist nicht zu leugnen. Nur ein sehr kleiner Menschenteil arbeitet aus dem wahren Grundsatz der Vervollkommnung und Stiftung des Guten um sich her; könnten die anderen ihren Magen beiseite legen, auf ihrer Oberfläche, wie Schafe, die Kleidung reproduzieren und in selbstgewachsenen Häusern wohnen, sie arbeiteten wahrhaftig nichts, sondern amüsierten sich nur; denn wenn auch dem Menschen Tätigkeit angeboten wurde, so liebt er doch nicht gleich die, welche mit trockener Anstrengung verbunden ist, sondern nur die, welche ihm Vergnügen macht; jene gewinnt er nur erst allenfalls durch Gewohnheit und Geläufigkeit (Routine) lieb. Wenn Grundsatz und Notwendigkeit die einzigen Triebfedern sind, die Hand und Kopf der Menschen in Aktion setzen, so gehören sie auch beide in den Plan der Jugenderziehung, weil wir für diese Welt erziehen.
Es ist daher nicht genug, jenen Grundsatz der Vervollkommnung einzuprägen, sondern auch bare Notwendigkeit halte den Arbeitsplan für die Jugend aufrecht, bleibe, so lange es sein muß, der Sporn ihrer Tätigkeit, bis Geläufigkeit und Liebe zur Arbeit entstehen. Man hat von Spielen nichts zu besorgen bei Kindern und Jünglingen, die von der Heiligkeit jenes Grundsatzes überzeugt sind, nichts bei solchen, deren Arbeitsplan nach unabänderlichen Gesetzen feststeht, bei denen es Gesetz ist: erst Arbeit, dann Spiel. Aus dem bisherigen ergibt sich ganz deutlich, daß der Grund der Arbeitsscheu nicht sowohl in den Spielen, sondern in einem Fehler der Erziehung liegt, der sich auf einen Berechnungsfehler der natürlichen Tätigkeit gründet.
Man hat die sehr üble Gewohnheit, Kinder durchs Spiel zur Arbeit zu reizen, wenn du recht fleißig bist, sollst du auch spielen !
„Um der Spiele willen sich anzustrengen, sagt dagegen so gut ein ehrwürdiger Alter, und zu arbeiten, ist töricht und kindisch; aber spielen, um zu arbeiten, ist recht." Es ist unpädagogisch und unverantwortlich, der Jugend den Zweck der Arbeit auf solche Art zu verrücken.
Was den Mutwillen beim Spiel selbst betrifft, so muß die Gegenwart des Erziehers so viel Gewicht haben, ihn gehörig niederzudrücken. Endlich aber bleibt es ja immer noch ein sehr natürliches Mittel, jedem Kinde, das durch Veranlassung der Spiele in jene Fehler verfällt, anzudeuten : du kannst nicht mitspielen, weil das Spiel einen nachteiligen Einfluß auf dich hat; suche des Spieles Herr zu sein, dann nur sollst du spielen usw.
Es gibt mehrere Arten von Spielen, sitzende, bewegende, instruktive, Gesellschaftsspiele, Karten-, Würfel- und Hasardspiele. Welche Spiele sind die besten? Welche soll man vorzüglich spielen?
Ich bin weit davon entfernt, die eigentlich sitzenden, nämlich Würfel- und Hasardspiele zu fördern, da es vielmehr bei diesem Buche eine meiner Hauptabsichten ist, den Geschmack an denselben aus den jugendlichen Zirkeln verdrängen zu helfen. Diese abscheulichen Spiele, die weder für Körper noch Geist etwas leisten, sondern für beide gleich schädlich sind, gehören entweder auf die unterste Stufe der Menschheit, in die Hände des rohen Wilden, der nicht denken kann, oder in die des schwachen Verfeinerten, der nicht denken mag, sondern nur leidend sich vom Zufall kitzeln läßt. Beides soll die gutgezogene Jugend nicht sein, sie [darf] also beiderlei Spiele gar nicht kennen lernen. Auch die besten Kartenspiele gehören nicht in den Bildungsplan der Jugend.Wenn ich sie auf der einen Seite dem Manne, dessen Kräfte den Tag über die Handarbeiten zerbrachen, am Abend nicht ganz entreißen möchte, ob sich gleich weit bessere Spiele an ihre Stelle setzen ließen, so bleiben sie doch auf der anderen Seite für alle die, welche nicht mit ihm im Falle des Handarbeitens sind, verwerflich.
Der lydische König Atys war nach Herodot der Erfinder der meisten altgriechischen Spiele. Sein Land kam in unabwendbare Hungersnot; Not weckt jede Kraft, bei ihm die Erfindungskraft, so erhielten die Spiele einen majestätischen Ursprung. Er verkürzte durch sie seinem Völkchen die Zeit, welche es beim Hungern natürlicherweise sehr langweilig finden mußte. Er teilte es in zwei Teile, der erste aß heute, indes der andere spielte, morgen war es umgekehrt. Jedermann wird mit diesem Zug eines königlichen Kopfes zufrieden sein, wer wird aber nicht lachen, wenn er zugleich vernimmt, daß Atys auch Bewegungsspiele, z. B. das Ballspiel vornehmen ließ, das wohl bequem ist, den Hunger zu erregen, aber nicht zu stillen.
Im Grunde ist doch diese Albernheit noch nicht so groß als eine ähnliche, wo nicht noch größere, die von den kultiviertesten Klassen der Europäer begangen wird, welche doch wohl einsichtsvoller sein sollten, als weiland König Atys zweiundeinhalb Jahrhundert vor dem Trojanischen Kriege? Was würde denn wohl dieser sagen, wenn er von ihnen hörte, daß sie sich nach sitzenden Kopfarbeiten an sitzenden, den Kopf ebensosehr angreifenden und die fatalsten Leidenschaften erregenden Spielen erholen wollen, daß sie in ihren Gesellschaften vor und nach dem Essen an den Spieltischen stundenlang halb stumm wie angenagelt zubringen.
Weh dir, o Jugend, wenn du dich nach dieser lächerlichen Sitte richtest, es wäre fast besser, du spieltest unter König Atys lieber bis zum Hungertode als hier bis zur Verderbung deines noch gesunden Geistes und Körpers. Im Charakter einer Nation müßte es für jeden Verständigen ein sehr schätzenswerter Zug sein, wenn sie jene Spiele, wo nicht durchaus verschmähte, doch weit minder begünstigte als gesunde Übungsund andere unschuldige Spiele.
Wie schlecht kleidet es Hercules, wenn er das Symbol seiner Stärke, die Keule, verwirft, das Spiel seiner rüstigen Muskeln hemmt und weibisch am Spinnrocken tändelt. Ihm gleichen die sogenannten edleren Volksklassen, die ursprünglich stark und tapfer, im Schöße der Weichlichkeit ihre Kräfte so wie ihre Waffen verrosten ließen. Sitzende, besonders Karten- und Hasardspiele, haben hierauf seit langer Zeit einen unglaublichen Einfluß gehabt. Ich entlasse sie hier auf immer, indem ich ihnen zum Abschied den Vers in den Mund lege: „Initio furiis ego sum tribus addita quarta."
Jetzt bleiben uns, in Rücksicht der obigen Frage, noch eine ganze Menge verschiedenartiger Spiele übrig. Manche von ihnen sind vorzüglich auf Übung des Körpers, andere auf Übung des Geistes, entweder ganz allein bei völliger Ruhe des Körpers, abgezweckt, oder sie lassen bald mehr, bald weniger Bewegung des Körpers zu. Die Entscheidung jener Fragen wird sich am besten aus dem Zwecke des Spielens überhaupt ergeben. Warum spielt man?
Der Zweck ist immer:
a) Unterhaltung gegen Langeweile oder
b) Gewinn oder
c) Erholung von Arbeit.
a) Wer Langeweile empfindet, sucht sich zu unterhalten. Hat er bloß diesen einzigen Zweck, so sind alle Arten der Spiele gleich gut, für die sein Geschmack, im Vertrag mit Zeit und Ort, entscheidet. Hier ist mithin gar kein Maßstab zur allgemeinen Entscheidung. Überdem aber gehört Langeweile nicht in das Leben des tätigen Menschen und ebensowenig in die Erziehung.
b) Vom Gewinn ist hier ebensowenig die Rede als von Eroberung der Haselnüsse und Mandeln; aber der Gewinn an Geistesvervollkommnung, an Bildung und Stärkung des Körpers kommt hier schon mehr in [Betracht]; denn das Leben ist kurz und die Reihe der Glieder in der Kette der Ausbildung lang. Allein zur Entscheidung der obigen Frage kann dies wenig beitragen, denn alle an sich guten Spiele, sowohl die sitzenden als bewegenden, gewähren diesen Vorteil, und fürdie Anwendung der verschiedenen Spielarten wird dadurch nichts entschieden.c) Erholung ist der rechtmäßigste Zweck bei allem Spiel. Nach ihm wird die Entscheidung der obigen Frage äußerst leicht. Erholung ist Bedürfnis, so wie Schlaf. Sie gründet sich immer auf Abwechslung der Beschäftigungen. Diese sind hauptsächlich von zweierlei Art, geistig und körperlich. Wäre der menschlichen Natur, besonders der Jugend, stete ernste Beschäftigung erträglich, so würde in der Abwechslung geistiger und körperlicher Arbeiten schon die vollkommenste Erholung liegen. Allein sie will auch Abwechslung zwischen Ernst und Scherz, weil hierdurch die Erholung zu einem weit höheren Grade gesteigert wird. Aus diesem natürlichen Gesetz der Abwechslung fließt die Beantwortung der obigen Fragen, alle Spielarten, sowohl die sitzenden als bewegenden, sind an sich gleich gut, so wie sich dies auch schon aus a und b ergab. Ihre Anwendung beruht auf den vorhergegangenen ernsten Beschäftigungen, waren diese geistig, so sei das Spiel körperlich und so umgekehrt.
Dieser Grundsatz ist so einleuchtend, daß sich schwerlich etwas Gründliches dagegen einwenden läßt. Sitzende Spiele gehören folglich hauptsächlich nur denen zu, die wenig mit dem Geiste, alles mit dem Körper unter viel Bewegung arbeiten; bewegende dem ruhigen, sitzenden Handarbeiter sowie dem Freunde der Wissenschaften und Künste. Aber Dank sei es unserer widernatürlichen Lebensart, unsere Gelehrten, Künstler, unsere Vornehmen, kurz die, welche in China lange Nägel tragen würden, spielen wie Krieger, Fechter und Pflüger; vom Schreibtisch geht es zum Schach, aus dem Kabinett oder vom langen Gastmahl zur Karte.
Die geistige Ausbildung bleibt bei der Erziehung das Hauptwerk, weil der Geist eigentlich den Menschen macht. Man habe Nachsicht mit diesem sehr bekannten, aber hier sehr brauchbaren Gedanken. Muß man die Wahrheit desselben anerkennen, so sollte geistige Ausbildung, nach Maßgabe des zu bildenden Gegenstandes, immer mit Ernst getrieben, nie zum Spiel gemacht werden, um dadurch Erholung für Arbeiten des Geistes zu verschaffen; einmal, weil diese Erholung nicht echt ist, zweitens weil man dadurch aus der natürlichen Ordnung heraustritt und dem Körper in seine Rechte fällt; je weniger dieser aber noch ausgebildet ist, desto mehr sollte man auf seine Rechte halten. Bewegende Spiele sind folglich für die Jugend zur Erholung ihres noch schwachen Geistes die zweckmäßigsten und vorzüglichsten. Allein dieser an sich wahre Satz [er] leidet doch sehr häufige Ausnahmen, die durch Zeit, Ort und Umstände veranlaßt werden. Die Jugend sitzt nicht immer, sie hat oft den Tag über hinlängliche Bewegung gehabt, Zeit und Ort verbieten Bewegungsspiele, dann sind alle andere Arten zweckmäßig.
Man findet in diesem Buch eine große Menge Spiele; eine noch größere habe ich verworfen. Ich bin meinen Lesern Rechenschaft schuldig; diese will ich jetzt geben, indem ich meine Gedanken über die nötigen Eigenschaften der Spiele überhaupt darlege.
Wir überlassen den frivolen Gesellschaften der Erwachsenen alle Spiele, die mit Zweideutigkeiten, Anspielungen auf Liebe, Küsse usw. gewürzt sind. Die Jugendspiele [seien] nur unschuldig, nichts schmückt sie so sehr als Unschuld.Kein Spiel für sie sei unehrbar, führe etwas Unsittliches mit sich; doch setze ich hinzu, daß in meiner Moral für Kinder Lachen, Lärmen, lautes Rufen, Laufen und Springen am rechten Ort und zur rechten Zeit, nicht zu den Unsittlichkeiten gehören.
Kein Spiel enthalte etwas gegen das Gefühl des Edlen und Schönen, wenn es auch nicht zur Verstärkung dieses Gefühls beiträgt. Ich hoffe, man soll hier kein Spiel der Art finden. Hineintragen kann man freilich jede Unsittlichkeit, das wird nicht meine Schuld sein, sondern die des Tones der Gesellschaft. Knaben spielen oft Dieb, sie verurteilen und hängen, das ist häßlich und thracisch roh wie die Anchonä.
Ein Spiel kann kindisch sein, das ist kein Fehler, wenn es für Kinder ist; aber ein Spiel kann nach dem feinen Tone ehrbar oder angemessener gesprochen, reizend und schön sein und ist für Kinder noch unehrbarer als für Erwachsene. Dies sei meine kurze Schutzrede für kleine Tändeleien, die man hier und dort finden wird.Gefährliche Spiele taugen nichts, denn mit Gesundheit und Leben ist kein Scherzen. Ich habe daher manches Spiel, das durch seine Neuheit gefallen haben würde, unterdrückt. Doch gebe ich noch zu bedenken, daß gefährlich ein sehr beziehender (relativer) Begriff sei, man ist selbst im Sofa nicht sicher.
Kein Spiel sei endlich leer von allem Gehalt, von allem Nutzen; niemand handelt gern ohne Absicht. Spiele müssen daher Übungen sein, die für die Jugend (für die Alten auch) auf irgendeine Art vorteilhaft sind. Sie müssen den Körper bald mehr, bald minder bewegen und seine Gesundheit [fördern] , es geschehe nun durch Laufen, Springen usw. oder durch fröhliches Lachen und sanftere Bewegung. Sie müssen Schnelligkeit, Kraft und Biegsamkeit in die Glieder bringen, den Körper bald zufällig, bald absichtlich gegen Schmerz abhärten und bald diesen, bald jenen Sinn in lebhafte Tätigkeit setzen. Sie müssen für die Jugend unterhaltend sein, bald ihre Erwartung, bald ihre Ehrliebe, bald ihre Tätigkeit spannen, bald ihre zu große Empfindlichkeit abstumpfen, ihre Geduld prüfen, ihre Besonnenheit und ihren jugendlichen Mut gewissermaßen auf die Probe stellen. Sie seien endlich Übungen für Beobachtungsgeist, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Phantasie, Verstand usw.
Wir haben kein Spiel, daß diesen vielsagenden Forderungen allein und vollkommen Genüge leistet, aber doch viele, die sich diesem Bilde sehr nähern, wenigstens bald dieser, bald jener Forderung entsprechen.
Der menschliche Geist ist in Spielen sehr sinnreich, denn Leibniz sagt: „il s'y trouve ä son aise." (er befindet sich dort wohl). Das ist eine große Lobrede auf die Spiele in wenigen Worten. Die Zahl der Spiele ist wirklich Legion.Jener große Mann bringt sie unter drei Klassen, er teilt sie a) in solche, die bloß auf Zahlen beruhen, b) bei denen es noch auf eine bestimmte Lage der Dinge ankommt („oü entre encore la Situation", und c) in bewegende). Mir gefällt diese Einteilung nicht, teils weil sie nicht alle Spiele umfaßt, teils weil sie bloß nach dem Material des Spiels gemacht ist, welches bei den Spielen bei weitem nicht die Hauptsache ist. Nach der gewöhnlichen Klassifikation zerlegt man die Spiele in sitzende und bewegende, das ist gut, wenn man aber ferner von Gesellschafts-, belehrenden und Hasardspielen redet, so ist hier nichts als Verwirrung der Begriffe.
Die einzige richtige [Einteilung der Spiele muß, so scheint es mir, von ihrem Hauptprinzip, nämlich von der Tätigkeit hergenommen werden, indem man sie nach den verschiedenartigen Äußerungen derselben ordnet. Im Körper ist nicht der Quell der Tätigkeit, daher gibt es gar keine reinen Körperspiele, man müßte denn passive Bewegungen des Körpers dafür annehmen, sondern allein im Geiste. Eben daher sind alle bewegenden Spiele mit Übungen der Geisteskräfte verbunden. Allein der Trieb zur Tätigkeit äußert sich oft mehr durch den Körper, daher körperliche oder Bewegungsspiele; oft mehr und oft ganz allein durch geistige Kräfte, daher Spiele des Geistes; die man sitzende, besser Ruhespiele nennt, weil der Körper dabei weniger, gleichsam nur beiläufig oder auch gar nicht in Bewegung gesetzt wird.
So entstehen zwei Klassen der Spiele. Eine scharf abschneidende Teilungslinie, die durch die Natur der Sache selbst sich zöge, scheint beim ersten Anblick zwischen beiden Klassen nicht stattzufinden, sie ist aber allerdings da, zwischen dem größten Teil der Spiele. Nur bei manchen hält es schwerer, ihre Klassifikation zu entscheiden. Bei diesen, so wie überall, untersuche man den Wert der Übung, die sie auf der einen Seite für den Körper, auf der anderen für den Geist gewähren. Ist jene bedeutender als diese, so gehören sie unter die Bewegungsspiele und so umgekehrt.
So ist z. B. das Spiel „Der König ist nicht zu Hause" mit körperlicher Bewegung verbunden, allein die Übung der Aufmerksamkeit ist doch überwiegender und bedeutender als die wenige Bewegung im Zimmer; ich rechne es daher zu den Ruhespielen; sobald aber dasselbe Spiel, unter dem Namen „Der Bildhauer ist fort" im Freien getrieben, mit mancherlei Körperstellungen, auch mit Laufen und Springen verbunden wird, so hat die Körperbewegung hier mehr Wert als die Übung der Aufmerksamkeit, folglich gehört es dann unter die Bewegungsspiele.
Die Tätigkeit des Geistes, die ohne Ausnahme bei allen Spielen stattfindet, wirkt durch die verschiedenen Erkenntniskräfte, bald durch die Phantasie, bald durch das Gedächtnis, bald durch den Witz usw. Wenn auch diese Kräfte in ihren Äußerungen nie völlig getrennt erscheinen, sondern, wie die Teile einer Maschine, immer in einer gewissen Verbindung wirken, so zeigt sich doch bald diese, bald jene allein, oder mit einer anderen gemeinschaftlich vorzüglich wirksam.
Hierdurch entstehen die verschiedenen Ordnungen der Spiele, nämlich:
1. Spiele des Beobachtungsgeistes und des sinnlichen Beurteilungsvermögens,
2.. Spiele der Aufmerksamkeit,
3. Spiele des Gedächtnisses,
4. Spiele der Phantasie und des Witzes,
5. Spiele des Verstandes und der höheren Beurteilungskraft,
6. Spiele des Geschmacks.Endlich ist bei einem System der Spiele wegen der Methode im Vortrag noch Rücksicht zu nehmen auf das Material; dieses besteht in Kugeln, Bällen, Scheiben usw., oft selbst in den spielenden Personen. Hierdurch entstehen die verschiedenen Arten der Spiele, als Ballspiele, Kugelspiele, Scbeibenspiele und Gesellschaftsspiele, zu welchen letzteren alle diejenigen gehören, bei denen die Personen selbst das Material ausmachen.
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