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GutsMuths - Biografie.
GutsMuths, J.C.F.
.. Joh. Chr. Fr. GutsMuths
Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes

Ausgewählte Spielbeschreibungen
Erste Klasse Bewegungsspiele



 

1. Das Ballonspiel
(Il giuoco del ballon grosso)

In Italien ist das Ballonspiel zum Nationalspiel geworden, und wahrscheinlich möchte man es wohl nirgends in der Vollkommenheit spielen als dort, wo es in den drei schönen Jahreszeiten das Lieblingsspiel in allen Städten ist. Hier fordern sich die vornehmsten Spieler verschiedener Städte oft auf 50 Stunden weit heraus, für einen bestimmten Preis oder bloß aus Ruhmbegierde miteinander zu spielen. Die Bürger nehmen den lebhaftesten Anteil, unzähliges Volk versammelt sich hinter den Mauern der Stadt, wo man gewöhnlich spielt, und sitzt auf Gerüsten stufenweise umher," um diese nationale Feierlichkeit mit anzusehen. Man schreit seinen Spielern Mut zu: bravi, bravissimi e viva, man klatscht Beifall, man wettet dabei. Hier sieht man Edelleute und Personen von Charakter öffentlich mit jedem Handwerksmann spielen, der geschickt darin ist, und der fertige Spieler kann sich dadurch durch halb Italien berühmt machen. Ich werde daher bei der Beschreibung dieses Spieles das ganz benutzen, was Baretti und Jagemann davon erzählen.

Was ein Ballon ist, weiß bei uns jedermann, ich will also nur erinnern, daß man eine recht runde Blase wählen müsse, damit der lederne Überzug nicht länglich auseinandergetrieben werde. Das Schlagen dieses Balls geschieht bei uns mit der Faust, die bloß mit einem ledernen Handschuh bekleidet wird; da aber die Faust ein ganz irregulärer Körper ist, so können die Schläge nicht die regelmäßige Richtung erhalten, die das Spiel erfordert; ferner kann die Hand leicht Schaden nehmen, und es ist nichts Ungewöhnliches, daß man sich einen Finger auf einige Zeit lahmt. In beiden liegt vielleicht die Ursache, daß die Italiener den Arm mit einer hölzernen Schiene bewaffnen, welche sie Bracciale nennen. Dieses Instrument hat einige Ähnlichkeit mit einem Muff. Der Spieler steckt die Hand fast bis an den Ellenbogen hinein und hält es an einem Pflock fest, der inwendig im Bracciale in die Quere befestigt ist. Äußerlich ist das Instrument über und über wie ein Igel mit kurzen spitzigen Hölzern versehen, die viereckig geschnitten sind.

Man spielt am liebsten an einer hohen Mauer oder langen Reihe von Gebäuden. Zum vollkommenen Spiel müssen wenigstens sechs Spieler sein, drei auf jeder Partei; gemeiniglich aber ist die Zahl der Spieler zwölf, so daß jede Partei aus sechs besteht.

Anfangs ist der Mittelpunkt der Spielbahn die Grenzscheidung der beiden Parteien, in der Folge aber jede Linie, welche diesen Punkt durchschneidet; denn so wie sich die beiden Parteien in den Umkreisen des Platzes herumtreiben, so muß sich jene Grenzlinie mit herumdrehen.

Beim Anfang des Spieles wird der Ballon den Spielern von einer dazu bestimmten Person vorgeworfen und von diesem Augenblicke kommt es darauf an, ihn aus seinem Feld in das der Gegenpartei zu schlagen. Dies wird so lange fortgesetzt, bis er zur Erde fällt und liegen bleibt, dann verliert die Partei, auf deren Felde er liegt, weniger oder mehr Punkte (points), je nachdem er mehr oder minder weit in dasselbe hineingetrieben ist. Dies kann jede Gesellschaft bei uns leicht ausmachen; sie kann entweder überhaupt nur für das Liegenbleiben im Felde der Gegner Points zählen, ohne auf die Weite zu sehen, in welcher er von der Grenzlinie liegt, oder wirklich die Entfernung messen und für jede zehn Schuh einen Point mehr rechnen. Streift der Ballon eine Person, so wird sie um einen Punkt gestraft. Man spielt gewöhnlich bis zu 60 Punkten.

Dieses Spiel hat fast alles, was zu einer guten körperlichen Übung gehört. Es gewährt viel Vergnügen, gibt dem Körper viel Bewegung im Freien und befördert seine Gesundheit und Schnelligkeit; es übt und stärkt den Arm sowie das Augenmaß, zumal wenn man sich auf wirkliche Messungen der Weiten einläßt, auf welcher der Ballon im Felde der Gegner liegt. Nichts ist hier natürlicher, als vor der Messung erst zu schätzen. Dadurch bekommt die Jugend aber bald das Maß von Schuhen als fixiertes Maß in den Kopf, und das ist allerdings sehr nützlich. Auf die obige Art verdient das Spiel alle Empfehlung unter der Jugend; nur muß sie es nicht auf die bei uns gewöhnliche Art spielen, wo man sich ohne Parteien in einem Kreis stellt, den Ballon schlägt, ohne weiter einen Zweck zu haben, als ihn in der Luft zu erhalten, und wo jeder sucht, ihn zum Schlagen recht oft für sich zu bekommen und zu behalten.

Das in England gewöhnliche Football ist auch ein Ballonspiel, wobei der Ball bloß mit den Füßen geschlagen wird, so wie beim giuoco del calcio der Italiener, die es aber nur bei großen Freudenfesten spielen.

Schon bei den alten Griechen findet man das Ballonspiel unter der Benennung E... und bei den Römern war es ebenfalls sehr gewöhnlich. Von ihnen verbreitete es sich, als ein klassisches Spiel, über den größten Teil von Europa und ist noch überall bekannt.

Bei den Alten teilte sich die Gesellschaft in zwei Parteien, und diese stellten sich gleichweit in einer Linie, die mitten durchgezogen wurde. Im Rücken der Parteien wurde wieder eine Linie gezogen, und beim Spielen kam es dann darauf an, den Ball vermittels der Hände und Füße in das Gebiet der Gegner zu schlagen. Hierbei kam es zu heftigen Stößen und Schlägen, so wie beim englischen Football, wo jeder den schlägt, welcher den Ballon mit den Händen aufhebt. Daher der Name Sphäromachie.
 

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