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GutsMuths.
 
 
Vorrede
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Einleitung
Inhaltsverzeichnis
ausgewählte Spiele
Biografie
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Spiele zur Übung und Erholung
des Körpers und Geistes
 

Für die
Jugend, ihre Erzieher

und alle
Freunde unschuldiger Jugendfreuden

gesammelt und praktisch bearbeitet von 

GutsMuths

Erzieher zu Schnepfental
 


Ihr könnt fröhlich sein und scherzen;
doch verscherzt die Unschuld nicht

Schnepfental 1796
 

 



 
Vorrede
 

Erholung ist dem Menschen, besonders im jugendlichen Alter, durchaus notwendig. Wenn demnach die Jugend, deren Zahl, allem in unserem Vaterland Millionen beträgt, täglich nur zwei Stunden spielt, so beträgt dies viele Millionen Stunden menschlicher Existenz. Sollte es denn da einer großen Nation wohl gleichgültig sein, ob ein so beträchtlicher Teil der Zeit, ja was noch mehr sagen will, der Bildungszeit, verloren geht oder genutzt wird; ob man ihn zum leidigen Zeitvertreib oder zur nötigen Ausbildung der Kräfte, unsittlich, geschmacklos, kurz schädlich, oder unschuldig, anständig und nützlich verwendet? Dies ist der ernsthafte Gesichtspunkt, aus dem ich dies Buch zu betrachten bitte. Wahrlich, ich wollte mit diesen mühsam geschriebenen Tändeleien nicht tändeln.

Seit Tranquillus Suetonius, der ein für uns verlorenes Buch über die Spiele der Griechen schrieb, sind unglaublich viel Bücher über Spiele abgefaßt [worden]. Dennoch übergebe ich hier dem Publikum das meinige mit der Überzeugung, daß es noch kein vollkommenes Spielbuch sei; ob es aber für den beabsichtigten Gebrauch besser, ob es zweckmäßiger und systematischer als die bisherigen sei, daran zweifle ich keinen Augenblick. Möchte doch jeder Schriftsteller, der davon nicht deutlich und mit Gründen überzeugt ist, seine Schrift lieber zerreißen als drucken lassen.

Alle Bücher über Spiele zerfallen in zwei Klassen; sie sind entweder philologisch-historisch, wie die schätzbaren kleinen Werke des Meursius, Boulangeruss, Hyde und kommen folglich hier gar nicht in Betracht; oder sie sind in praktischer Hinsicht geschrieben, um im gesellschaftlichen Kreise danach zu spielen. Ich kenne davon eine ansehnliche Menge, aber kein einziges, das mit gehöriger Auswahl, nach einem bestimmten Zwecke, für bestimmte Subjekte, mit geläutertem Geschmack und durchdachter Schätzung des Wertes jedes einzelnen Spiels nach einem nur etwas gründlichen System abgefaßt wäre. Daher sind alle diese Bücher auf gut Glück gleichsam zusammengewürfelt, teils entsetzlich schlecht, nicht nur geschmacklos, sondern oft pöbelhaft, unsittlich, voll Zweideutigkeiten und Zoten.

Sollte man es wohl glauben, daß in einem kleinen, 1792 in Leipzig verlegten, sehr beliebten Buche Sachen abgedruckt wurden, die aus einer der elendesten Schmierereien, die 1757 in Frankfurt erschien, entlehnt sind? Spielformeln wie diese: "Mit Gunst, ihr Meister und Gesellen, der Teufel ist in der Höllen, der Meister gibt wenig Lohn und viel Knochen, mit Gunst ihm sei" usw. oder wie in Dreißigs, des Zusammenschreibers, Machwerke, dem "Angenehmen Gesellschafter", 1792: "Auf einem meiner Bäume, den ich habe daheime, hab ich zwei, drei usw. Blätter, auf dem dritten Blatte war eine Schnecke, die hatte ein Haus zur Decke, die kroch unter zwei, drei Zweige, sie wollte sitzen träge, mit ihren zwei Hörnern, kroch sie auf zwei Dörnern, und da kamen behende, zwei, drei, vier Hände und nahmen die Schnecke mit fünf Fingern hinwecke."

In pädagogischer Hinsicht ist noch gar keine Sammlung von Spielen veranstaltet. Hielt man Spiele für nichtswürdige Possen, die der Zeit, der Mühe und des Papiers nicht wert sind? Schämten sich Gelehrte, sie zu beschreiben? Ach wie viel Tausend seicht- und tiefgelehrte Nichtswürdigkeiten hätte man dann ungedruckt lassen müssen ! Bei Büchern ist es nur Nebensache, ob die Buchmanufaktur im Gange bleibt oder nicht, ob Papiermüller, Buchhändler und Gelehrte dabei gewinnen oder nicht, ob sie grundgelehrt sind oder nicht, die Hauptfrage bleibt dabei immer, und sollten sie auch nur über die Stoppeln des Feldes geschrieben sein, können sie merklichen Einfluß auf die physische oder geistige Vervollkommnung des Menschen haben? - Wahrlich eine böse Frage, man tue sie an manches dickleibige, grundgelehrte Werk, da erscheint es wie eine Seifenblase, die trefElich glänzt, sich prächtig aufbläht und ohne Folgen bleibt.

Dies Buch enthält Spiele für die Jugend, aber es ist nicht für die Jugend geschrieben, sondern für ihre Eltern, Erzieher und Freunde; daher nicht nur Beschreibungen, sondern auch Beurteilungen der einzelnen Spiele; daher die Blicke auf das alte Griechenland als historische Erläuterungen und als angenehme Erinnerungen an ein liebenswürdiges Volk; daher der Ton, welcher mehr trocken beschreibend als unterhaltend ist. Ich hätte leicht einige Familien erdichten, ihre vergnügten Zusammenkünfte schildern und so die Spiele einweben können; dem Ton mag dies gemäß sein, allein ich hasse alle Papierverschwendung und schrieb nie, um Bogen zu füllen. Daher endlich die Einleitung, die, wie der erste Blick lehrt, nicht für die Jugend bestimmt ist. Damit will ich jedoch nicht gesagt haben, daß junge Leute die meisten Spiele dieser Sammlung nicht sollten verstehen und nachspielen können; ich wollte mich nur bestimmt erklären, für wen das Buch geschrieben sei.

Spiele sind Blumenbänder, durch welche man die Jugend an sich fesselt; daher übergebe ich sie lieber ihren Erziehern als ihr selbst. Was soll aber die Jugend machen, die - ach, es ist wahrhaftig leider oft, sehr oft der Fall! - entweder keinen Erzieher, oder wenigstens keinen für die Zeit hat, wo sie nicht studiert, deren Eltern entweder keine Zeit oder keine Lust haben, sich mit ihr zu beschäftigen. Ich bin bis jetzt noch unschlüssig, ob ich einst ein leichtfaßliches, wohlfeiles Spielbuch für diese ausarbeite und erwarte darüber erst die Winke des Publikums.

Von jedem Spiel findet man im vorliegenden Buch eine möglichst genaue und umständliche Beschreibung, die bei den Bewegungsspielen fast ohne alle Ausnahme, bei den Sitzenden größtenteils auf wirkliche Experimente gegründet ist. Sollte sie manchen bei diesem und jenem Spiele zu umständlich scheinen, so bitte ich zu bedenken, daß man auch auf solche Leser Rücksicht nehmen müsse, die das nicht gleich finden, was sich schon von selbst versteht, sondern denen es erst gesagt werden muß; und daß der Zweck des Buches, der auf praktische Anwendung geht, umständliche Auseinandersetzung erforderte, weil sich nach allgemeinen Angaben gewöhnlich nichts ausführen läßt.

Man wird demungeachtet bei den etwas verwickelteren , namentlich bei den Ballspielen, immer noch genug zu tun haben, sie im jugendlichen Kreise bis zu der Geläufigkeit zu bringen, daß sie in ihrer angenehmen Gestalt völlig hervortreten. So lange man diese Geläufigkeit noch nicht erlangt hat, ist jedes Spiel, zumal jungen Personen, sehr widrig; man muß daher kein Spiel nach den ersten Eindrücken beurteilen, die es bei noch unvollkommener Routine macht.

Die Beurteilungen der einzelnen Spiele sind zwar nicht umständlich - denn ich hatte ebensowenig Lust, mehrere Bände zu schreiben, als meine Leser haben, sie zu lesen - aber doch hinreichend, auf den Gehalt derselben aufmerksamer zu machen, als man bisher wohl gewesen ist.

Alle, etwa drei ausgenommen, welche mir mitgeteilt wurden, sind entweder aus eigener Erfahrung niedergeschrieben oder aus verschiedenen deutschen und fremden Gegenden, wozu meine Lage sehr günstig war, zusammengetragen, versucht, beschrieben, ergänzt und hin und wieder verbessert. Es sind 106, weil die bestimmte Bogenzahl nicht mehr fassen konnte und mich nötigte, bei den Brettspielen abzubrechen. Ich hoffe, man wird damit zufrieden sein, bezahlt man doch einzeln herausgekommene Spiele häufig mit sechs, zwölf, vierundzwanzig und mehr Groschen.

Obgleich die Zahl schon ziemlich ansehnlich ist und ob ich gleich selbst noch einen ziemlichen Vorrat besitze, so wäre es mir doch sehr angenehm, wenn man mir aus nahen und fernen Gegenden Spiele mitteilte; Alter und Geschmack, Fähigkeiten und Kenntnisse, häusliche Lage und Gesellsthaften der Jugend; der besondere Geschmack der Eltern und Erzieher, Tages- und Jahreszeiten, häusliche Umstände usw. machen eine große Zahl von Spielen nötig. Ich werde daher Nachträge liefern und mich bemühen, nach und nach eine Spielbibliothek zustande zu bringen, wie sie noch keine Nation hat.
 
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Die treffliche Ausführung meiner Idee im Basrelief des Titels verdanke ich der Meisterhand unseres Rambergs und dem einsichtsvollen und treuen Künstler Stoelzel. Die Erziehung, in schöner weiblicher Gestalt an den Altar der Natur gelehnt, neben ihrer Rechten das Symbol der Bildung, in ihrer linken Hand das der Leitung, wacht über die Spiele der unschuldigen Kleinen. Möchten doch Eltern diesen einfachen Gedanken beherzigen.
 
 
Schnepfenthal bei Gotha, 6. April 1776.


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