J.C.F.GutsMuths,
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Joh. Chr. Fr. GutsMuths
Spiele zur Übung und Erholung
des Körpers und Geistes
Erkenntnisse
und Zitate aus dem Spielebuch von GutsMuths (1796)
Schon beim Lesen des Vorwortes
und der Einleitung
fällt auf, dass GutsMuths einen zentralen Gedanken hat. Er will dem
Spiel zu seinem Recht verhelfen und dabei Lernen, Spielen, Bildung
genauso wenig trennen wie Körper und Geist.
Und das in einer Zeit, als
Körperübungen und Spiele an den öffentlichen Schulen noch
völlig unbekannt waren.
Die "bewegte Schule" hat
der Praktiker GuthsMuths schon vor über 200 Jahren nicht nur im Kopf
gehabt, sondern auch schon in den Unterrichtsalltag umgesetzt. Spielen,
vielseitiges Laufen, Springen, Werfen, Klettern, Ringen, Balancieren, Schwimmen,
Eislaufen, Voltigieren, Gartenbau, Handwerk und Wanderungen waren integraler
Bestandteil des Erziehungskonzeptes an den "Philantropinen" in Dessau und
Schnepfental.
Wer will, kann das Buch heute
als eine Gegenrede auf all jene verstehen, die im (Bewegungs-)Spiel verlorene
Zeit für echte Bildung sehen. Allerdings ist auch für GutsMuths
nicht von vornherein jedes Spiel wertvoll. So wettert und polemisiert
er heftig gegen die Karten- und Glücksspiele und favorisiert die Bewegungsspiele.
Bereits im Titel des Buches wird das zentrale Anliegen deutlich: Übung
und Erholung von Körper und Geist. Im Zentrum
steht also der ganze Mensch.
Das „Spielbuch" knüpft
an sein im Jahre 1793 erschienenes Buch „Gymnastik für die Jugend"
an. Es enthält - neben der pädagogischen Einordnung
und Begründung - eine Spielsammlung,
in der die überlieferten deutschen Volksspiele und eine Auswahl anderer
Länder systematisch zusammengefasst sind. Viele der beschriebenen
Spiele sind noch heute aktuell.
Pädagogische Einordnung
und Begründung
Einige zentrale Zitate aus
der Einleitung
zur Bedeutung des Spiels in der Erziehung
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Wenn das größte Geheimnis der Erziehung
darin besteht, daß die Übungen des Geistes und des Körpers
sich gegenseitig zur Erholung dienen, so sind Spiele, besonders Bewegungsspiele
sowie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche Sachen. |
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Um die Herzen der Kinder zu gewinnen, spiele man
mit ihnen; der immer ernste, ermahnende Ton kann wohl Hochachtung und Ehrfurcht
erwecken, aber nicht so leicht das Herz für natürliche, unbefangene
Freundschaft und Offenherzigkeit aufschließen. Am offensten ist man
immer nur gegen seinesgleichen; die eigentümliche Gesinnung der Älteren
und der höheren Klasse machen uns zurückhaltender, darum gesellt
sich gleich so gern zu gleichem. |
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Spiele sind wichtige Kleinigkeiten; denn sie sind
zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bei jung und alt Bedürfnisse
gewesen, weil Freude und Vergnügen zur Erholung von Arbeit...sind. |
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„Spielen", sagt der unvergleichliche Wieland, „ist
die erste und einzige Beschäftigung unserer Kindheit und bleibt uns
die angenehmste unser ganzes Leben hindurch. Arbeiten wie ein Lastvieh
ist das traurige Los der niedrigsten, unglücklichsten und - zahlreichsten
Klasse der Sterblichen; aber es ist den Absichten und Wünschen der
Natur zuwider. - Die schönsten Künste der Musen sind Spiele,
und ohne die keuschen Grazien stellen auch die Götter, wie Pinda singt,
weder Feste noch Tänze an. Nehmt vom Leben hinweg, was erzwungener
Dienst der eisernen Notwendigkeit ist; was ist in allem übrigen nicht
Spiel? Die Künstler spielen mit der Natur, die Dichter mit ihrer Einbildungskraft,
die Philosophen mit Ideen, die Schönen mit unseren Herzen und die
Könige, leider! - mit unseren Köpfen!" |
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Ich habe gesagt, Spiele seien wichtige Kleinigkeiten;
denn wenn man von der einen Seite aus den Spielen auf den sittlichen und
politischen Zustand einer Nation schließen kann, so darf man von
einer anderen, aus jener genauen Verbindung, den Schluß [ziehen],
daß die Spiele auf den Charakter merklichen Einfluß haben werden,
daß sie daher zu den Erziehungsmitteln ganzer Nationen gehören. |
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Ich...glaube aber, daß es für jung und
alt kein ernsteres Studium nach der Geistesbildung geben könne, als
das, was auf Gesundheit, Ausbildung des Körpers und Heiterkeit des
Geistes hinzielt, weil ohne diese die Geistesbildung wenig nützt,
sondern als ein totes Kapital daliegt, an dem der Rost nagt. Und wer wirklich
der Meinung ist, daß man die Stunden, wo es mit ernster Anstrengung
des Geistes nicht mehr fort will, stets zu irgend etwas Nützlichem,
z. B. zum Zeichnen, Klavierspielen, zum Ordnen der Insekten und Mineralien
und dergleichen anwenden müsse, der hat von der Ökonomie sowohl
des jugendlichen als erwachsenen menschlichen Körpers keine richtige
Vorstellung, er weiß das Nützliche nicht gegen das Nützlichere
gehörig abzuwägen; er zieht den Mond der Sonne vor, weil er so
sanft ist und das Öl der Gassenerleuchtung erspart. |
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Sollten aber junge oder alte Gelehrte und Jugendbildner
einen Skandal darin finden, mit der Jugend zu spielen, so verweise ich
sie auf Heraklit, der am Dianentempel zu Ephesus die Knabenspiele als Mitspieler
ordnete; auf Sokrates, wie er mit der Jugend spielt, auf Scaevola, Julius
Caesar und Octavius, die studiosissime Ball spielten, auf Cosmus von Medici,
der seinem kleinen Enkel auf öffentlichem Platze die Pfeife verbesserte,
auf Gustav Adolf, der mit seinen Offizieren Blindekuh spielte usw. |
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Spiele bilden auf die mannigfaltigste Art den Gang
des menschlichen Lebens mit einer Lebhaftigkeit im Kleinen nach, die sich
auf keinem anderen Wege, durch keine andere Beschäftigung und Lage
der Jugend erreichen läßt. Denn nirgends ist die Jugend in ihren
Handlungen, in ihrem ganzen Betragen so wenig von Seiten der Erwachsenen
beschränkt, nirgends handelt sie daher natürlicher, freier und
dem Gange des menschlichen Lebens gleichlautender als hier. |
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Spiele verbreiten im jugendlichen Kreise Heiterkeit
und Freude, Lust und Gelächter. Wären alle Menschen stets lustig
und vergnügt, sicher würde nicht so viel Böses geschehen.
Mürrische Laune ist nicht die Stifterin des Guten und Angenehmen;
ja schon ein stets ernsthafter Charakter ist weniger moralisch vollkommen
als der aus Ernst und Scherz lieblich gemischte, bei gleicher Herzensreinheit.
Die Anlage von allen dreien wird angeboren, aber die Ausbildung liegt in
Erziehung und in erziehenden Umständen. Immer bleibt es doch ratsam,
die Jugend in einem heiteren, fröhlichen Ton zu erhalten und selbst
Spiele zur Beförderung desselben in die Erziehung aufzunehmen. |
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„Je mehr sie zum Lachen reizen", sagt Basedow von
den Spielen, „desto zweckmäßiger sind sie. Ich wollte, daß
auch die Erwachsenen sowohl unter den geringeren als vornehmeren Ständen
mehr scherzten und lachten als [es] geschieht. -Das Lachen ist eine menschliche
Handlung, die sowohl Leib als Seele übt und stärkt, und muß
also ihre Zeit haben, was auch die blödsinnigen und gallsüchtigen
Andächtler davon sagen mögen." Er gibt sogar einem Verleger den
Rat, ein Werk von vier bis sechs Alphabeten unter dem Titel: „Die unschuldigen
Lacher" zu übernehmen. |
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Spiele sind nötig zur Erhaltung der Gesundheit,
zur Stärkung, Übung, Abhärtung des jugendlichen Körpers.
Daß hier weder von Karten noch Würfeln und Hasardspielen die
Rede sei, sondern einzig von Bewegungsspielen im Freien, versteht sich
von selbst. Ich habe sehr vielfältig und lange Gelegenheit gehabt,
den Einfluß dieser Spiele sowie der Leibesübungen überhaupt
auf manchen Verweichlichten, Furchtsamen, körperlich Bequemen, Untätigen
und Ungeschickten zu beobachten und ihn immer vortrefflich gefunden. Da
ich hierüber schon vieles in meinem Buche über die Leibesübungen
gesagt habe, so fällt hier alle weitere Auseinandersetzung weg |
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Kein Spiel sei endlich leer von allem Gehalt, von
allem Nutzen; niemand handelt gern ohne Absicht. Spiele müssen daher
Übungen sein, die für die Jugend (für die Alten auch) auf
irgendeine Art vorteilhaft sind. Sie müssen den Körper bald mehr,
bald minder bewegen und seine Gesundheit [fördern] , es geschehe nun
durch Laufen, Springen usw. oder durch fröhliches Lachen und sanftere
Bewegung. Sie müssen Schnelligkeit, Kraft und Biegsamkeit in die Glieder
bringen, den Körper bald zufällig, bald absichtlich gegen Schmerz
abhärten und bald diesen, bald jenen Sinn in lebhafte Tätigkeit
setzen. Sie müssen für die Jugend unterhaltend sein, bald ihre
Erwartung, bald ihre Ehrliebe, bald ihre Tätigkeit spannen, bald ihre
zu große Empfindlichkeit abstumpfen, ihre Geduld prüfen, ihre
Besonnenheit und ihren jugendlichen Mut gewissermaßen auf die Probe
stellen. Sie seien endlich Übungen für Beobachtungsgeist, Gedächtnis,
Aufmerksamkeit, Phantasie, Verstand usw. |
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Die Tätigkeit des Geistes, die ohne Ausnahme
bei allen Spielen stattfindet, wirkt durch die verschiedenen Erkenntniskräfte,
bald durch die Phantasie, bald durch das Gedächtnis, bald durch den
Witz usw. Wenn auch diese Kräfte in ihren Äußerungen nie
völlig getrennt erscheinen, sondern, wie die Teile einer Maschine,
immer in einer gewissen Verbindung wirken, so zeigt sich doch bald diese,
bald jene allein, oder mit einer anderen gemeinschaftlich vorzüglich
wirksam.
Hierdurch entstehen die verschiedenen Ordnungen der Spiele, nämlich:
1. Spiele des Beobachtungsgeistes und des sinnlichen Beurteilungsvermögens,
2.. Spiele der Aufmerksamkeit,
3. Spiele des Gedächtnisses,
4. Spiele der Phantasie und des Witzes,
5. Spiele des Verstandes und der höheren Beurteilungskraft,
6. Spiele des Geschmacks. |
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Kurz, man beweise erst streng und
redlich, daß die Bildung des Körpers eine Posse sei, die für
uns nichts wert ist, daß unser Geist des Körpers nicht bedürfe,
daß dieser auf unsere Tätigkeit, auf unseren Charakter und auf
Belebung oder Erstickung des göttlichen Funkens, der in uns glimmt,
gar keinen Einfluß habe; wenn man das getan, die Forderungen der
Natur, der größten Ärzte und der denkendsten Männer
widerlegt haben wird, dann will ich schweigen und einsehen lernen, daß
ich Torheit gepredigt habe, dann will ich gern behaupten, daß man
die Zeit zur Erholung wohl edler als zu Spielen und Leibesübungen
verwenden könne. |
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